MattiBeuti hat geschrieben: ↑Mo 20. Jul 2020, 21:04
Dann musst Du mir das mal erklären, weil ich es genau andersrum verstehe. Meiner Meinung nach, würde der Spielstil von Favre viel besser zu einer Umschaltmannschaft passen. Rose hat in Salzburg einen dominanten Fußball spielen lassen, weil die Rahmenbedingungen es hergegeben und verlangt haben. Nun lässt er in Gladbach entsprechend zurückhaltender agieren, was meiner Meinung nach ebenfalls angemessen ist. Bei Favre kommt es mir (ein wenig) so vor, als wenn er seine Spielidee Stück für Stück an die Möglichkeiten des BVBs anpassen muss und sich bei diesem Prozess etwas schwer tut. Denn genau jene taktische Vorgehensweise, dass man die Spiele mit geringerer Intensität beginnt und sich dann im Laufe der Partie steigert, sehe ich aus mehreren Punkten kritisch. Und auch den ökonomischen Effekt würde ich umgekehrt interpretieren. In wie vielen Spielen hat diese niedrige Intensität denn ausgreicht? Und in wie vielen Spielen musste die Mannschaft dann am Ende des Spiels an ihre Grenzen gehen, damit sie noch ein entsprechendes Ergebnis erzielt? Für mich geht das ökonomisch überhaupt nicht auf. Die Bayern treten meistens von Beginn an dominant auf. Der Gegner ist beeindruckt und oftmals hat das Ergebnis im Laufe der Partie dann die richtige Tendenz. Im letzten Drittel des Spiels kann man dann ein paar Spieler auswechseln und die Intensität kann etwas heruntergefahren werden. So würde ich ein cleveres auf Ökonomie bedachtes System verstehen.
Umschalten meint ja die Momente unmittelbar nach den Ballbesitzwechseln, bevor beide Teams sich in ihre üblichen defensiv/offensiv Formationen sortieren konnten. "Umschalttrainer" würde ich Übungsleiter nennen, die dem alten Klopp-Motto "Gegenpressing ist der beste 10er" eher im wörtlichen Sinne folgen. Denen Spielkontrolle und Ballbesitz weniger wichtig sind, die Ballverluste auch als Chance sehen, weil sie ihre Teams genau für diese Umschaltmomente zusammenstellen und drillen. Auf die Spitze gebracht hat das mal der große Tedesco, als seine tapferen Schalker in seiner zweiten Saison in Leipzig jeden Ball einfach nach vorne geprügelt und das Spiel mit einer Passquote von knapp 50% beendet haben.
Favre scheint großen Wert auf das schnelle Umschalten nach eigenem Ballgewinn bzw effektives Kontern zu legen, aber nach eigenem Ballverlust agieren wir eher konservativ, der große Gegenpressing-Enthusiast ist er nicht und war er glaube ich auch früher nie. Das sieht man auch in unserem Ballbesitz, wo wir lieber noch 3x querpassen, als den Ball mit einem "zu" riskanten Direktpass zu verlieren oder zum Beispiel auch daran, dass es Favre-typisch ist auf hohe Flanken zu verzichten, deren Erfolgsaussichten gering sind.
Ich denke mit das größte Problem in der ersten Saisonhälfte war, dass Favre nach Führungen passiv verteidigen und kontern wollte unsere defensive aber nicht in der Lage war mit dem daraus entstehenden Druck umzugehen. Ob das jetzt eine grundsätzliche Inkompatibilität zu einem Verein unserer Größe war oder ob es ein personelles Problem mit individuellen Spielern wie z.B. Hakimi oder Sancho war kann ich schwer einschätzen.
Ich finde es auch schwierig eine Herangehensweise zu kritisieren, die uns zwichen Paderborn und Mainz 43 Punkte in 18 Spielen beschert hat oder zu sagen, dass wir einfach das machen sollen was die Bayern tun. Unsere aktuelle Strategie heißt natürlich nicht, dass wir jedes Spiel auf Sparflamme durchziehen, aber ich denke wir schaffen es regelmäßig, dass unserer Gegner sehr viel Kraft aufwenden ohne dabei viel Gefahr zu schaffen und wir deshalb im späteren Spielverlauf kräftemäßige Vorteile haben, das legen auch die Zahlen nahe.
Minute 61-75: 18[1.]:3[2.] Tore
Minute 75-90: 15[3.]:6[1.] Tore
Minute 90+: 4[2.]:0[1.] Tore
Man muss sich auch fragen, wieso wir an manchen Stellen eher vorsichtig agieren, wenn es so einfach wäre, dass man den Gegner am Anfang überfällt und dann quasi fertig ist, dann würde man das wohl auch machen. Aber ein Unterschied ist zum Beispiel, dass Bayern ein deutlich aggressiveres/besseres Pressing spielt. Einerseits natürlich auch eine Frage für den Trainer, aber andererseits haben unsere Offensivstars gerne die Angewohnheit gegen den Ball schlampig bis faul zu agieren. Vielleicht ist es auch deshalb einfach sinnvoll lieber konservativer zu agieren, statt sich drauf zu verlassen, dass Brandt, Sancho und Hakimi das schon im Gegenpressing gewuppt kriegen, wenn man schon zu Beginn Feuer mit Feuer bekämpfen möchte und ein offenes Spiel in Kauf nimmt.
Ich habe ehrlich gesagt nicht genauer verfolgt was der Rose in Österreich so gemacht hat und ich bin mir auch nicht sicher, wie aussagekräftig das ist, wenn er mit einer EL/CL Mannschaft die ganze Zeit gegen 2. bis 3. klassige Gegner spielt.
Ich muss sagen, dass ich Leverkusen so genau dann doch nicht verfolgt habe. Daher kann ich auch nicht sagen, ob sie mental, physisch oder taktisch eingebrochen sind. Die Ergebnisse waren halt sehr deutlich. Natürlich kann deine These stimmen, dass es an der Englischen Woche lag. Allerdings hatten sie - auch wenn Bellarabi gefehlt hat - mit Volland, Havertz, Bailey und Diaby noch genug Alternativen für die Offensive. Und für die Defensive stand noch unser Manni bereit. Das muss reichen!
Natürlich sollte man generell die Endplatzierung von Leverkusen nicht als einziges Argument heranziehen, denn dann wird man in der Gesamtbewertung etwas unfair. In vielen Saisons hätten die Punkte für einen CL-Platz gereicht. Und die Leistungen waren insgesamt ja auch mehr als ordentlich. Es ist vielleicht ein wenig wie bei uns - jammern auf hohem Niveau.
Um die Rolle von Havertz genauer zu definieren, hätte ich Leverkusen wohl intensiver verfolgen müssen. Bei den statistischen Werten sollte man seine eher durchwachsene Hinrunde nicht vergessen, die aber aufgrund seines Alters immer noch in Ordnung war. Wenn man dann seine Leistungen und die Werte der Rückrunde auf ein Jahr hochrechnen würde, kämen auch ganz andere Bewertungen zutage, die dann das wahre Leistungsniveau von ihm widerspiegeln würden.
Ich finde das schon eine luftige Erwartungshaltung. Bailey hat vor ungefähr 2 Jahren zuletzt den Eindruck erweckt, dass er in der Lage ist konstant Leistung zu bringen, aus Diaby kann ein sehr guter Spieler werden in den nächsten Jahren, aber im Grunde ist das seine erste Saison als Stammspieler und entsprechend unkonstant sind auch seine Leistungen. Volland war den ganzen Frühling verletzt, bei der Niederlage in Wolfsburg war er noch nichtmal im Kader, gegen Bayern durfte er dann zum ersten Mal 14 Minuten Spielen, beim Unentschieden gegen Schalke 20 und bei der Niederlage gegen Hertha musste er - ich nehme mal an aus Fitnessgründen - zur Halbzeit runter. Macht zusammen knapp 70 Minuten Spielzeit in den vier Partien mit Punktverlust. Garniert wurde das ganze dann noch mit Dragovic als RV. Ich finde da muss man auch einfach mal sagen, dass Punktverluste mit so einem Personal und dem straffen Zeitplan nach Corona irgendwo normal sind. Ich meine wenn Leverkusen unter diesen Voraussetzungen keine Punkte abgeben "darf", dann wäre bei Bayern oder uns jeder Sieg unter 4:0 ein Versagen.
Ich finde es auch falsch zu sagen, dass Havertz' wahres Leistungsvermögen nur die Monate umfasst, wo sein Team als ganzes einen Lauf hat und er der König mit allen Freiheiten ist. Wenn es gut läuft ist "jeder" ein Topspieler, was mich viel mehr interessiert ist was die Spieler beitragen, wenn es mal hakt, wenn ihnen nicht so viele Räume geöffnet oder Bälle aufgelegt werden.
Bei deiner Einschätzung zum Meisterschaftsrennen kann ich Dir nur zustimmen. Bei Bayern müssten Dinge passieren, die jetzt eher unrealitisch erscheinen. Und selbst wenn sich ein Lewa mal verletzt, taucht plötzlich ein Virus auf und die Bundesliga pausiert so lange.
Wenn Guerreiro in der Viererkette so gut aufgehoben wäre, wie im 3-4-3, wäre die Rückkehr zum 4-3-3 oder 4-2-3-1 für mich klar. Aber so kann ich es nicht einschätzen. Spannend wird natürlich die Entwicklung von Reyna(wo siehst Du ihn?) sein. Laut Constantin Eckner soll seine Zukunft eher auf der 10 oder als 8er sein. Ich hatte ihn bislang als Außenstürmer gesehen, auch wenn ihm dafür wohl etwas die Geschwindigkeit fehlt. Aber für wen soll er denn im zentralen Mittelfeld spielen? Bei Bellingham kann ich mir eine überraschend schnelle Integration sehr gut vorstellen. Sein Stellungsspiel, seine Aggressivität, seine Technik und seine Geschwindigkeit finde ich herausragend. Und gegen Ende des Jahres kommt auch noch Moukoko dazu.
Es gibt im Fußball so viele verschiedene Möglichkeiten zum Erfolg zu kommen, dass es mir müßig erscheint konkrete Aufstellungen zusammenzuspinnen. Ich denke wenn man einfach Hakimi 1:1 durch Meunier ersetzt wird das nicht annähernd so gut funktionieren und da Favre ja selbst gesagt hat, dass er grundsätzlich 4er Ketten präferiert könnte ich mir gut vorstellen, dass man irgendwann wieder dabei landet. Dazu passt auch, dass angeblich weder Dahoud noch Delaney wechseln wollen.
2. Liga - auch wenn in England - zur Bundesligaspitze bzw CL ist ein riesen Sprung, deshalb habe ich kurzfristig erstmal keine Erwartungen an Bellingham, zumal er in den Videos auf mich auch einen extrem talentierten, aber rohen Eindruck gemacht hat.
Reyna ist wegen seines Alters auch so einer, der erstmal Joker bleiben wird. Was dann in 1-2 Jahren passiert hängt von seiner Entwicklung und der dann gewählten Spielweise ab. Das was Sancho diese Saison gespielt hat brauchte zum Beispiel oft keine explosive Geschwindigkeit, obwohl nomineller Flügelspieler. Liefert der AV/WB weniger Unterstützung kann es schon wieder ganz anders aussehen.