Bernd1958 hat geschrieben: ↑Fr 6. Mär 2020, 16:44
Paragraph 177 StGB:
Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Oft genug gibt es Strafen von zwei Jahren. Wieviel hat UH bekommen?
Ich kenne das Gesetz. Du hingegen müsstest es dann schon auch ganz lesen. § 177 Abs. 1 StGB, den Du zitierst, regelt die sexuelle Nötigung. Die Vergewaltigung ist in § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB geregelt:
"In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe
nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung)" [...]"
Zum Vergleich: Das ist eine doppelt so hohe Mindeststrafe wie sie für Raub oder gefährliche Körperverletzung (etwa wenn das Opfer ein Bein verliert oder erblindet) vorgesehen ist. Man kann nicht ernsthaft behaupten, der Gesetzgeber habe Vergewaltigung auf die leichte Schulter genommen. Dagegen steht auf eine normale Steuerhinterziehung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre. In Puncto Strafrahmen liegen Welten zwischen Steuerhinterziehung und Vergewaltigung. Praktisch werden für Vergewaltigungen nicht selten ähnlich hohe Strafen wie für "leichtere" Tötungsdelikte verhängt.
Insofern ist auch Deine neue Aussage, oft gebe es Strafen von zwei Jahren, nichts als blanker Unsinn. Das ist ja schon das gesetzliche Minimum. Du vegleichst die allergeringste Strafe, die es für eine Vergewaltigung geben kann und die praktisch so kaum verhängt wird, mit einer Steuerhinterziehung mit einem Hinterziehungsbetrag von knapp 30 Mio. EUR - und verallgemeinerst dann das Ergebnis.
So etwas habe ich ja echt gern. Schön das Rechtssystem kritisieren, obwohl man davon keinerlei Ahnung hat und nicht einmal das Gesetz richtig lesen kann. Aber dann irgendwelche frei erfundenen Aussagen raushauen, die schlicht und einfach unwahr sind.
Dickendidi hat geschrieben: ↑Fr 6. Mär 2020, 17:15
Bei der Mehrzahl der Gewaltverbrechen hingegen würde ich als Laie die "regulierende Funktion" einer Strafmaßerhöhung bezweifeln. Kann mir kaum vorstellen, dass jemand kurz vor der Vergewaltigung nochmal innehält und denkt "Moment, da ist doch gerade erst das Strafmaß erhöht worden ... na dann lass ich das mal lieber".
Das ist völlig richtig. In der Theorie müsste der Mordtatbestand wegen der lebenslangen Freiheitsstrafe den größten Abschreckungseffekt haben. Weil aber die meißten Tötungsdelikte Affekttaten sind, läuft der Abschreckungseffekt weitgehend leer. Hier geht es also vor allem um einen symbolischen Effekt. Kriminologisch besteht insofern genau der Unterschied, den Du beschrieben hast. Trotzdem ist es auch bei der Steuerhinterziehung um den Abschreckungseffekt höherer Strafen besonders schlecht bestellt, weil die Täter in der Regel davon ausgehen, nicht erwischt zu werden - und dann ist es für sie zweitrangig, ob ein, drei oder fünf Jahre Haft drohen.
Im Übrigen haben aber auch bei allen anderen Delikten empirische Studien einen ernsthaften Abschreckungseffekt nie wirklich beweisen können. Der Gesetzgeber unterstellt bei Straferhöhungen dennoch regelmäßig eine "regulierende Funktion".