Schwejk hat geschrieben: ↑So 21. Feb 2021, 17:09
Nur einige kurze Einwürfe:
- Ein Interview lebt genregemäß von der Dynamik einer Situation, es ist nicht an den Kriterien eines wissenschaftlichen Diskurses zu messen..
- Bedarf es überhaupt noch eines Interviews, um Rummenigge als das zu outen, was er ist: ein "eiskalter Geschäftsmann"?
- Ist überhaupt noch berechtigt zu fordern, eine andere Interviewtechnik hätte Rummenigge zwingen können, "sich um Kopf und Kragen zu reden"?
- Ob und inwiefern Rummenigge mit seinem Verweis auf die UEFA im Interesse der "ganzen (!) Bundesliga" gut und richtig reagiert hat, sei durchaus in Frage gestellt.
- Man braucht kein Fan oder Advokat Breyers zu sein, um ihn nicht effektheischend auf dem BILD-Niveau zu sehen. Okay, der Vergleich ist wohl eher forenüblich als rhetorisch (hyperbolisch) zu lesen.
- Fadenscheiniges an Rummenigges Antworten brauchten nicht eigens aus ihm durch geschicktes Fragen herausgekitzelt zu werden, es fiel mir nur so entgegen.
- Die dienliche Funktion von Unterbrechungen in vielen Interviews ist wohl unstreitig, eine unmäßige Fülle, soweit gesprächsdynamisch nicht provoziert, dagegen nicht.
Dann antworte ich mal, wenn auch nicht ganz so geschwurbelt:
- Höflichkeit existiert auch außerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses. Und meine Erziehung hat mir beigebracht, dass ich, wenn ich jemanden etwas frage, ich die Person ausreden lasse und nicht die Frage unterbrechend selbst beantworte, weil mir die Antwort nicht gefällt. So ganz ab vom wissenschaftlichem Geplänkel auch im ganz normalen Leben.
- Nein, dann muss man ihn weder interviewen, noch dabei dreist unterbrechen. Diese Tatsache ändert also nichts an unserem Thema.
- Auch hier: dann braucht er ihn auch nicht unterbrechen. Ist ja jetzt auch nicht so als hätte Rummenigge etwas gesagt, was derart unmenschlich war, dass man ihn nicht hätte ausreden lassen. Die Unterbrechung hatte zwei Ziele: Zum eine sollte der Zeitfaktor beachtet werden. Das hätte Breyer selbst in den Griff kriegen können, als er mehrfach zu Themen, wo Rummenigge einfach nichts zu sagen kann, „kritisch“ nachgefragt hat (und nachgefragt und nachgefragt). Zum anderen wollte Breyer ein bestimmtes Statement erhalten, was er nicht erhalten konnte.
- Stimmt, für Schalke hat die UEFA mit Sicherheit in nächster Zeit wenig Bedeutung. Aber was Rummenigge auf die zwanzigfache Frage, warum Gladbach und Hoffenheim durch Europa tingeln gesagt hat, war sicherlich im Sinne aller derzeitigen und zukünftigen Europapokalteilnehmer. Was er zum Thema „warum spielt die Bundesliga überhaupt noch“ gesagt hat, wahrscheinlich sogar im Sinne des FC Schalke. Wobei so ein Saisonabbruch für die vielleicht von Vorteil wäre. Was an seinen Antworten zu dem Thema jetzt verwerflich war, kann ich bis heute nicht erkennen. KHR ist weder die UEFA, noch Gladbach oder Hoffenheim. Und KHR hat sich sicherlich nicht ausgedacht, dass die Spiele grad so stattfinden wie sie stattfinden. Sicherlich hat er ein Interesse daran, dass das Fußballgeschäft weiterläuft. Aber welcher Bundesligisten hat das nicht? Ohne TV-Gelder gehen überall ganz schnell die Lichter aus.
- Aber natürlich war das effektheischerisch. Was wollte er denn sonst erreichen? Er wollte sein Profil schärfen (steht auch in dem von dir zitierten Artikel). Mehr nicht. Weder ging es ihm darum die große Ungerechtigkeit durch die Bevorzugung des Fußballs (gibt es die wirklich?) oder die (nich-existenten) Menschenrechte in Katar zu beseitigen. Er wollte sich einfach auf Kosten eines anderen profilieren. Ist in gewissen Maße sein Job, ist ok. Aber man kann dabei sicherlich mehr Anstand zeigen.
- Joa, kann man so sehen. Aber warum muss ich ihn dann dabei unterbrechen. Warum lasse ich ihn nicht komplett ausreden und halte ihm das dann vor?
- Und ja, in einem Gewissen Maß gibt es sicherlich in jedem Interview Unterbrechungen, aber es geht um das wie und das wie viel. Wenn jemand minutenlang einen Monolog startet und vom Thema abschweift, ok. Aber das war gestern einfach viel zu viel. Und an unpassenden Stellen. Das war ein: Du sagst jetzt was ich hören will und was anderes darfst du nicht mehr sagen. Gerade gegen Ende, als er merkte, dass ihm die Zeit weglief. Sein Zeitmanagement als Interviewer war suboptimal und das hat er am Ende (als es dann wirklich interessant wurde) durch diesen Druck versucht zu kompensieren. Und wieder komme ich zur Frage: Warum haben wir minutenlang darüber geredet, wer zu welchem Europapokalspiel fährt. Das ist nun wirklich nicht KHR Entscheidung gewesen. Das kann man einmal fragen. Mit der Antwort, dass es nicht seine Kompetenz ist (und das ist nunmal so, Einfluss hin oder her) hat es sich dann auch.
- Die Kommentare zu dem subjektiven Artikel eines Journalisten über einen anderen sehen dann wieder sehr geteilt aus. Alle, die grundsätzlich gegen die Bayern sind, scheinen kein Problem mit dem Interview zu haben. Aber es gibt dort auch etliche Stimmen (und davon gehört keine mir, bevor mir das vorgeworfen wird), die das anders sehen.
Zusammenfassend: Ich fand es gut, dass diese Fragen gestellt wurden. Ich fand einige Stellen des Interviews auch vom Interviewer gut. Aber im großen und ganzen war es für mich sicherlich nicht die journalistische Glanzleistung zu der sie hier gemacht wird, weil zum einen der Fluß des Gespräches immer wieder durch störende Zwischentöne unterbrochen wurde, und zum anderen trotz allem Drucks und aller Unhöflichkeit seitens Breyers Rummenige sich nicht hat provozieren lassen (der Zweck also verfehlet wurde) und relativ ruhig und vergleichsweise souverän geantwortet hat. Dass das inhaltlich nicht immer nachvollziehbar war, lag einfach daran, dass es für manche Dinge einfach keine gute Antwort gibt, weil sie einfach falsch laufen. Aber diese Themen hätte auch ein 6-jähriger thematisieren können. Die Antworten wären genauso unglaubwürdig geblieben. Der 6-jährige hätte nur genug Respekt vor seinem Gegenüber gehabt.
Und nur mal so by-the-way: Wird sich Herr Breyer dann eigentlich auch weigern von der WM in Katar zu berichten? Oder wird die Berichterstattung dann nur über Menschenrechtsverletzungen stattfinden und die sportlichen Ergebnisse dann mitgeteilt, ohne Übertragung eines Spiels? Wenn das ZDF ihn dann nach Katar schickt, weigert er sich dann dort hinzufahren und dort seinem Job nachzugehen? Fragen über Fragen. Warten wir es in zwei Jahren ab.