Sexismus im Fußball

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Shafirion
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Sexismus im Fußball

#1 Beitrag von Shafirion » So 22. Nov 2020, 15:57

Da die Diskussion im Spieltags-Thread beendet wurde, würde ich dem Thema gerne einen eigenen Thread geben. Der ist primär für diejenigen gedacht, die sich bereits für das Thema interessieren oder sich vorstellen können, darüber sachlich zu diskutieren.
Vorab möchte ich noch einmal betonen, dass das nichts mit meiner persönlichen Einstellung zu einzelnen Usern zu tun hat. Wer das fortwährend unterstellt, bagatellisiert nur das Problem.

Die Diskussion im Spieltags-Thread fand ich sehr bezeichnend. Fast alle Rechtfertigungen kennt man von anderen Formen des Diskrimierung, z.B. vom Rassismus.
Treffend dazu: https://cavanisfriseur.de/stadionflair- ... glich-ist/

Nun lässt sich das immer leicht bagatellisieren, wenn man selbst nicht zu denjenigen gehört, die diskriminiert werden. Aber man versetze sich einmal in die Rolle einer Bibiana Steinhaus. Die wollte irgendwann als Schiedsrichterin auf Top-Niveau arbeiten. Daran ist gewiss nichts auszusetzen. Die hört grantiert jedes Spiele solche Sprüche. Das ist diskriminierend und erschwert systematisch den Zugang für Frauen.

Irgendjemand hat im Spieltags-Thread auf den üblichen wüsten Umgang mit Schiedsrichtern verwiesen. Das ist richtig und ein Thema für sich. Aber diese übliche Schiedsrichter-Kritik ist nicht diskrimierend. Insofern kann ja jeder, der ein wenig reflektieren möchte, mal fragen, warum man Bibiana Steinhaus gestern nicht genauso als "blind" bezeichnet wie man es bei jedem männlichen Kollegen gemacht hätte. Aber nein: Bei ihr muss man das reichlich abwegige Klischee bedienen, als Frau habe sie vermutlich den Kölner Keller verlassen, weil sie ganz dringend ihren Lippenstift nachziehen musste. Das ist so sicher sexistisch wie das Amen in der Kirche. Daran ändert, entgegen einer Aussage im Thread, auch der Umstand nichts, dass eine (!) Frau hier im Forum sich an dem Spruch nicht stört. Diese Aussage (wenn eine Frau das nicht sexistisch findet, kann es nicht sexistisch sein) ist ironischerweise ihrerseits sexistisch.

Bezeichnend sind auch so Aussagen wie: Diese Ansicht hast Du exklusiv. Das betrifft ein Strukturproblem von Diskrimierungen. Je größer der diskrimierende Personenkreis ist - und je größer damit die Diskrimination ist - desto leichter kommt man zu solchen Aussagen. Der Umstand, dass sich nur vereinzelt Personen an so einer Aussage stören, ist daher ein denkbar schlechtes Argument, um das Ganze zu bagatellisieren.

Ich verstehe, dass man die Diskussion im Spieltags-Thread beendet hat, weil es dort off topic war. Es wäre aber schön, wenn man in einem Fußball-Diskussionsforum auch diesem Thema eine Plattform geben und im Idealfall ein wenig das Problembewusstsein schärfen könnte.

Herb
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Re: Sexismus im Fußball

#2 Beitrag von Herb » So 22. Nov 2020, 16:42

Danke für den verlinkten Artikel. Sehr interessant.

Ich denke, für das Thema Sexismus sind viele noch nicht sensibilisiert, weil es nach wie vor alltäglich ist und nur selten Widerspruch erfährt, während wir z.B. bei Rassismus oder Homophobie schon etwas weiter sind (glücklicherweise). Daher ist es wichtig, diese Dinge zur Sprache zu bringen.

Ich muss zugeben, dass ich mich selbst auch immer wieder bei sowas erwische, auch außerhalb des Fußballs. Zum Beispiel Sprüche wie "die hat aber Haare auf den Zähnen", wenn eine Frau selbstbewusst auftritt oder ihren Standpunkt vertritt, rutschen mir leider auch hin und wieder über die Lippen. Würde ich sowas bei einem Mann in besonderer Weise ansprechen? Wohl kaum. Ich habe mich vor einiger Zeit mal mit einer Frau in einer relativ hohen Führungsposition unterhalten und erfahren, wie verletzend solche "nicht böse gemeinten" Sprüche sein können.

Daher für alle, die sagen, "das ist doch nicht sexistisch": Es kommt nicht darauf an, wie ihr es meint, sondern wie es bei Betroffenen ankommt.

Shafirion
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Re: Sexismus im Fußball

#3 Beitrag von Shafirion » So 22. Nov 2020, 17:46

Herb hat geschrieben: So 22. Nov 2020, 16:42 Ich habe mich vor einiger Zeit mal mit einer Frau in einer relativ hohen Führungsposition unterhalten und erfahren, wie verletzend solche "nicht böse gemeinten" Sprüche sein können.
Daher für alle, die sagen, "das ist doch nicht sexistisch": Es kommt nicht darauf an, wie ihr es meint, sondern wie es bei Betroffenen ankommt.
Danke dafür. Nicht nur, weil das Thema so nicht gleich sofort wieder abgekanzelt wird, sondern auch, weil Du den wesentlichen Punkt mit dem Beispiel und in dem letzten Satz viel besser auf den Punkt gebracht hast als ich. ;)
Ich denke, für das Thema Sexismus sind viele noch nicht sensibilisiert, weil es nach wie vor alltäglich ist und nur selten Widerspruch erfährt, während wir z.B. bei Rassismus oder Homophobie schon etwas weiter sind (glücklicherweise). Daher ist es wichtig, diese Dinge zur Sprache zu bringen.
Auch das ist ein total wichtiger Punkt. Deshalb gelten Alltagsrassismus und Alltagssexismus als eigenständige Kategorie. Die ist besonders tückisch, weil sexistische Aussagen damit vorschnell als sozialadäquat eingestuft werden.

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Re: Sexismus im Fußball

#4 Beitrag von Schwejk » So 22. Nov 2020, 19:14

In der Tat: Herb bringt das humanisierende Prinzip beispielhaft und anschaulich auf den Begriff, nämlich sich für den Gehalt diskriminierender Stereotype zu sensibilisieren, die vor allem in mannigfaltigen Ausprägungen des Alltagsrassismus und-sexismus in vielen Milieus und Kommunikationssituationen kursieren und häufig bereits dort so tief eingespurt sind, daß sie kaum noch in ihrem andere verletzenden Potential erkannt werden.

Es gibt Exempel, daß das Hnterfragen dieser oft bereits als "eingenordet" empfundenen Üblichkeiten nicht als unfreundlicher Akt, sondern durchaus auch als zutunlicher Impuls zum Nachdenken aufgefaßt werden.

Dies geschrieben in dem Bewußtsein, daß diese Zeilen auch bloß als pastorales "Wort am Sonntag von der Kanzel herab" abgekanzelt werden können. ;-)
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Re: Sexismus im Fußball

#5 Beitrag von Zubitoni » So 22. Nov 2020, 19:30

guter thread. aber können wir das mal vorher bitte etwas konkreter machen, was wir hier alle so unter diskrimierung verstehen /sollten?

mal ein paar beispiele:

sie musste sich wohl noch den lippenstift nachziehen —> :?:
er musste wohl noch in die muckibude —> :?:
er/sie benimmt sich wie ein kind —> :?:

oder hat jemand ne griffige definition parat, die mir die obigen beispiele zuzuordnen hilft?
Dummheit verliert am Ende immer. Bis dahin kann‘s nur sehr teuer werden…

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Re: Sexismus im Fußball

#6 Beitrag von Shafirion » So 22. Nov 2020, 20:01

Zubitoni hat geschrieben: So 22. Nov 2020, 19:30 guter thread. aber können wir das mal vorher bitte etwas konkreter machen, was wir hier alle so unter diskrimierung verstehen /sollten?

mal ein paar beispiele:

sie musste sich wohl noch den lippenstift nachziehen —> :?:
er musste wohl noch in die muckibude —> :?:
er/sie benimmt sich wie ein kind —> :?:

oder hat jemand ne griffige definition parat, die mir die obigen beispiele zuzuordnen hilft?
Eine allgemeingültig Defintion für Sexismus zu finden, ist sicher schwierig.

Meine Einschätzung zu Deinen drei Beispielen:

Das dritte finde ich überhaupt nicht sexistisch, das erste auf jeden Fall, weil es mit einem Klischee arbeitet. So gesehen ist dann auch das zweite Beispiel sexistisch. Trotzdem sehe ich zwischen dem ersten und den zweiten Beispiel noch einmal einen Unterschied, der vermutlich davon abhängt, in welchem Kontext das Ganze erfolgt. Geht es also um eine Schiedsrichterin, die in ihrem Job quasi allein unter Männern ist und dadurch strukturelle Nachteile erleidet, finde ich das besonders problematisch. Dementsprechend wäre die Muckibude besonders sexistisch, wenn sie in einem Kontext bemüht würde, wo Männer mit typischen Vorurteilen konfrontriert sind. Spontan fiele mir da Kindeserziehung ein: Hat der Vater die Tochter mal aus der Kita abgeholt? Nein, der musste wohl noch in die Muckibude. Da ist das Klischee nicht nur die Muckibude, sondern darüber hinaus, dass Männer sich schlechter um ihre Kinder kümmern als Frauen.
Hieße es dagegen nach einem Versagen des VAR: Da war der Stieler wohl gerade in der Muckibude, fände ich es jedenfalls weniger schlimm, weil Männer im Schiedsrichterwesen keine strukturellen Nachteile wegen ihres Geschlechts haben und dort auch im Übrigen nicht diskriminiert werden.

Bei den ganzen Sprüchen gegenüber Steinhaus dagegen ist ja in der Regel oder jedenfalls oft irgendwo der Subtext: Das ist hier ein Männergeschaft, da hast Du nichts verloren.

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Re: Sexismus im Fußball

#7 Beitrag von Zubitoni » So 22. Nov 2020, 22:16

gut, ich hatte wegen dem kind (abweichend vom threadtitel) extra von diskriminierung gesprochen, nicht von sexismus (als unterform der d.). das kind soll auch sein recht haben. man drückt missbilligung für die handlung einer person aus, indem man sie mit der eines kindes vergleicht... diskriminierung pur - des kindes. oder nicht?

und die muckibude? so wie formuliert ist es ja eher argwöhnisch/belächelnd gemeint. der hats nötig, macht den ganzen tag nix anderes, ist ihm wichtiger als die frau/das kind/soziales verhalten/denken/etc. du sagst es ja auch.

andererseits sind frauen / männer doch auch stolz auf ihre schönheit / muskelberge.

unterm strich:

ich merke beim schreiben, dass ich mich an der diskussion nicht beteiligen kann. die grenzen sind einfach (noch) nicht klar genug, und daran wird die diskussion auch scheitern/eskalieren. vieles wird einfach untern teppich gefegt, weil kein kläger. anderes wird aufgebauscht, weil gerade en vogue. mitschwimmen. und sowas hasse ich.

ich sehe es lieber so: wenn es beleidigend gemeint war, ist es ... überraschung ... eine beleidigung.
Dummheit verliert am Ende immer. Bis dahin kann‘s nur sehr teuer werden…

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Re: Sexismus im Fußball

#8 Beitrag von Shafirion » Mo 23. Nov 2020, 10:22

Was schimpft man immer über männliche Schiris. Da interessiert es keinen Menschen was da gesagt wird. Wo ist die Gleichberechtigung nach der immer alle schreien?

Und den Lippenstift nachziehen ist halt in keinster Weise sexistisch. Wenn er jetzt geschrieben hätte: "Die Steinhaus war wohl gerade abgelenkt weil sie ihrem Kollegen im Keller einen ******* hat", ok... sowas wäre in keinster Weise angebracht.

Sowas ist einfach nur spießig.
Das Beispiel fand ich interessant. Bei der derben Schimpfe über männliche Schiris kann ich keine Ungleichbehandlung erkennen. Ob es in Ordnung ist, dass Schiedsrichter ständig so bepöbelt werden, ist sicherlich diskutabel. Aber da geht es nicht um Diskrimierung.

Dass der Lippenstift-Spruch "in keinster Weise" sexistisch ist, lässt sich m.E. nicht ernsthaft behaupten, ohne ein viel zu enges Verständnis von Sexismus zugrunde zu legen. Der Verweis auf die Alternative, bei der die Grenze dann überschritten wäre, ist auch durchaus typisch und bezeichnend. Das ist ein wenig, als würde man die Aussage über einen Schwarzafrikaner, "der war halt wohl gerade Bananen fressen", deshalb für unbedenklich erklären, weil es nicht stattdessen das N-Wort war.

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Re: Sexismus im Fußball

#9 Beitrag von Bernd1958 » Mo 23. Nov 2020, 15:46

Ich bin seit Anfang der 90er Jahre im Mädchen- und Frauenfußball engagiert. Was man da früher alles gehört hat war zu 95% sexistisch im heutigen Sinne. Gott sei Dank hat sich das mittlerweile geändert, aber „verbale Ausfälle“ hört man immer noch oft. Vor allem von Männern die zum ersten Mal ein Frauenfußballspiel sehen.

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Re: Sexismus im Fußball

#10 Beitrag von Shafirion » Mi 25. Nov 2020, 13:16

Optimus hat geschrieben: Di 24. Nov 2020, 17:19
Den Lippenstift – Spruch, mit seiner Auswirkung, habe ich meiner Frau vorgelegt.
Ihr Fazit: Leichtes schmunzeln für die Wertung „ sexistisch“.

Ihre Frage: Wenn dort im Keller dem Manuel Gräfe das gleiche passiert wäre und jemand hätte geschrieben: Da hat der Manuel wohl gerade Gel aus der Tube gedrückt und sich die Haare schön gemacht. Wie wäre das Urteil dann.
Ich will damit nicht das Thema neu befeuern und habe auch im gesperrten Thread keinen einzigen Satz dazu geschrieben.
Ich habe das mal ausgelagert, um den konstruktiven "Stimmungs-Thread" nicht mit dem Thema zu belasten.

Zunächst: Verschiedene Menschen sind für das Thema unterschiedlich stark sensibilisiert. Nur als Beispiel: Ich habe den Lippenspruch-Tisch bei uns am Tisch abends auch in die Runde geworfen und die Reaktion war: "Wie kann jemand im 21. Jahrhundert noch bestreiten, dass das sexistisch war?"

Was die anschließende Frage angeht, hatte ich ja schon gesagt, dass es m.E. einen Unterschied macht, ob die Aussage eine Person trifft, die im konkreten Kontext diskrimiert wird. Da Gräfe als Schiedsrichter nicht wegen seines Geschlechts diskriminiert wird, hinkt also der Vergleich etwas. Im Übrigen bin ich mir nicht einmal sicher, ob da ein Klischee zu Männern im Spiel ist ("Haare schön" ist ja eher ein weibliches Klischee).

Wie Herb das schon so schön gesagt hat: Man sollte mal versuchen, das aus der Perspektive der diskriminierten Person zu sehen. Und wenn der und der Gruppe, für die sie steht, struktureller Sexismus weh tut, dann wird es nicht besser, sondern sogar schlechter dadurch, wenn die diskriminierende Person sich auch noch die Deutungshoheit zuschreibt und kurzerhad erklärt: "Das war niemals sexistisch."

Ich will übrigens nicht bestreiten, dass ich mich hier gerne mal dem Einwand aussetze, ich würde dozieren. Aber ich finde, auch in einem Fußball-Forum darf man mal etwas Aufklärungsarbeit zum Thema Sexismus machen (wobei mir natürlich auch klar ist, dass das die Wenigsten ernsthaft interessieren wird, aber wer sich dafür nicht interessiert, kann ja einfach dem Thread fernbleiben). Das gilt insbesondere, weil gängige Legitimationen (wie etwa das Argument, das gehöre zur Meinungsfreiheit oder Frau Steinhaus lese hier ja nicht mit und im Übrigen störe sich hier ja niemand daran) zu kurz greifen. Anders ausgedrückt: Das Argument, da störe sich ja kaum jemand dran, ist kein durchschlagender Einwand, sondern Teil des Problems. Deshalb ist die Parallele zwischen Rassismus und Sexismus so erkenntnisfördernd. Ginge es um einen türkischen oder polnischen Schiedsrichter, würde ja auch niemand (mehr) den Kommentar (der war beim Videocheck wohl Kümmel holen/Autos klauen) auf ähnliche Weise rechtfertigen. Das liegt nicht nur daran, dass Rassismus noch einmal problematischer ist und das Beispiel drastischer ist als der relativ harmlose Lippenstift-Spruch - sondern eben auch daran, dass das Problembewusstsein beim Sexismus noch viel geringer ausgeprägt ist als beim Rassismus (früher hätte es da wohl auch mal geheißen: "stört sich doch keiner dran"; "eher harmloser Spruch"). Aber auch verhältnismäßig niedrigschwelliger Alltagssexismus tut Menschen weh, was wiederum anderen Menschen oft kaum bewusst ist. Die Unterschiede sind letztendlich nur quantitativ, nicht qualitativ.

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Re: Sexismus im Fußball

#11 Beitrag von MattiBeuti » Mi 25. Nov 2020, 15:29

Shafirion hat geschrieben: Mi 25. Nov 2020, 13:16
Optimus hat geschrieben: Di 24. Nov 2020, 17:19
Den Lippenstift – Spruch, mit seiner Auswirkung, habe ich meiner Frau vorgelegt.
Ihr Fazit: Leichtes schmunzeln für die Wertung „ sexistisch“.

Ihre Frage: Wenn dort im Keller dem Manuel Gräfe das gleiche passiert wäre und jemand hätte geschrieben: Da hat der Manuel wohl gerade Gel aus der Tube gedrückt und sich die Haare schön gemacht. Wie wäre das Urteil dann.
Ich will damit nicht das Thema neu befeuern und habe auch im gesperrten Thread keinen einzigen Satz dazu geschrieben.
Ich habe das mal ausgelagert, um den konstruktiven "Stimmungs-Thread" nicht mit dem Thema zu belasten.

Zunächst: Verschiedene Menschen sind für das Thema unterschiedlich stark sensibilisiert. Nur als Beispiel: Ich habe den Lippenspruch-Tisch bei uns am Tisch abends auch in die Runde geworfen und die Reaktion war: "Wie kann jemand im 21. Jahrhundert noch bestreiten, dass das sexistisch war?"

Was die anschließende Frage angeht, hatte ich ja schon gesagt, dass es m.E. einen Unterschied macht, ob die Aussage eine Person trifft, die im konkreten Kontext diskrimiert wird. Da Gräfe als Schiedsrichter nicht wegen seines Geschlechts diskriminiert wird, hinkt also der Vergleich etwas. Im Übrigen bin ich mir nicht einmal sicher, ob da ein Klischee zu Männern im Spiel ist ("Haare schön" ist ja eher ein weibliches Klischee).

Wie Herb das schon so schön gesagt hat: Man sollte mal versuchen, das aus der Perspektive der diskriminierten Person zu sehen. Und wenn der und der Gruppe, für die sie steht, struktureller Sexismus weh tut, dann wird es nicht besser, sondern sogar schlechter dadurch, wenn die diskriminierende Person sich auch noch die Deutungshoheit zuschreibt und kurzerhad erklärt: "Das war niemals sexistisch."

Ich will übrigens nicht bestreiten, dass ich mich hier gerne mal dem Einwand aussetze, ich würde dozieren. Aber ich finde, auch in einem Fußball-Forum darf man mal etwas Aufklärungsarbeit zum Thema Sexismus machen (wobei mir natürlich auch klar ist, dass das die Wenigsten ernsthaft interessieren wird, aber wer sich dafür nicht interessiert, kann ja einfach dem Thread fernbleiben). Das gilt insbesondere, weil gängige Legitimationen (wie etwa das Argument, das gehöre zur Meinungsfreiheit oder Frau Steinhaus lese hier ja nicht mit und im Übrigen störe sich hier ja niemand daran) zu kurz greifen. Anders ausgedrückt: Das Argument, da störe sich ja kaum jemand dran, ist kein durchschlagender Einwand, sondern Teil des Problems. Deshalb ist die Parallele zwischen Rassismus und Sexismus so erkenntnisfördernd. Ginge es um einen türkischen oder polnischen Schiedsrichter, würde ja auch niemand (mehr) den Kommentar (der war beim Videocheck wohl Kümmel holen/Autos klauen) auf ähnliche Weise rechtfertigen. Das liegt nicht nur daran, dass Rassismus noch einmal problematischer ist und das Beispiel drastischer ist als der relativ harmlose Lippenstift-Spruch - sondern eben auch daran, dass das Problembewusstsein beim Sexismus noch viel geringer ausgeprägt ist als beim Rassismus (früher hätte es da wohl auch mal geheißen: "stört sich doch keiner dran"; "eher harmloser Spruch"). Aber auch verhältnismäßig niedrigschwelliger Alltagssexismus tut Menschen weh, was wiederum anderen Menschen oft kaum bewusst ist. Die Unterschiede sind letztendlich nur quantitativ, nicht qualitativ.
Dazu aber ein kleiner Tipp von mir: Wenn Du Aufklärungsarbeit leisten willst, dann musst Du auch die Geduld und die Ausdauer haben mit Argumenten deine Position zu erklären, ohne dabei zu persönlich zu werden. Diejenigen, die deine Meinung teilen, musst Du ja ohnehin nicht überzeugen. Aber wenn man andere von der eigenen Position überzeugen möchte, wird man nur eine Chance dabei haben, wenn man geduldig und souverän mit der jeweiligen Situation umgeht. Das ist der schwierige Teil, wenn man sich für etwas einsetzen will. Man muss auch in hitzigeren Situationen die Ruhe bewahren und darf sich nicht zu sehr emotional beteiligen. Ist leider oftmals nicht so einfach. ;)
Ist nur meine Meinung. Alles ganz entspannt...

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Re: Sexismus im Fußball

#12 Beitrag von Shafirion » Mi 25. Nov 2020, 16:14

MattiBeuti hat geschrieben: Mi 25. Nov 2020, 15:29
Shafirion hat geschrieben: Mi 25. Nov 2020, 13:16
Optimus hat geschrieben: Di 24. Nov 2020, 17:19
Den Lippenstift – Spruch, mit seiner Auswirkung, habe ich meiner Frau vorgelegt.
Ihr Fazit: Leichtes schmunzeln für die Wertung „ sexistisch“.

Ihre Frage: Wenn dort im Keller dem Manuel Gräfe das gleiche passiert wäre und jemand hätte geschrieben: Da hat der Manuel wohl gerade Gel aus der Tube gedrückt und sich die Haare schön gemacht. Wie wäre das Urteil dann.
Ich will damit nicht das Thema neu befeuern und habe auch im gesperrten Thread keinen einzigen Satz dazu geschrieben.
Ich habe das mal ausgelagert, um den konstruktiven "Stimmungs-Thread" nicht mit dem Thema zu belasten.

Zunächst: Verschiedene Menschen sind für das Thema unterschiedlich stark sensibilisiert. Nur als Beispiel: Ich habe den Lippenspruch-Tisch bei uns am Tisch abends auch in die Runde geworfen und die Reaktion war: "Wie kann jemand im 21. Jahrhundert noch bestreiten, dass das sexistisch war?"

Was die anschließende Frage angeht, hatte ich ja schon gesagt, dass es m.E. einen Unterschied macht, ob die Aussage eine Person trifft, die im konkreten Kontext diskrimiert wird. Da Gräfe als Schiedsrichter nicht wegen seines Geschlechts diskriminiert wird, hinkt also der Vergleich etwas. Im Übrigen bin ich mir nicht einmal sicher, ob da ein Klischee zu Männern im Spiel ist ("Haare schön" ist ja eher ein weibliches Klischee).

Wie Herb das schon so schön gesagt hat: Man sollte mal versuchen, das aus der Perspektive der diskriminierten Person zu sehen. Und wenn der und der Gruppe, für die sie steht, struktureller Sexismus weh tut, dann wird es nicht besser, sondern sogar schlechter dadurch, wenn die diskriminierende Person sich auch noch die Deutungshoheit zuschreibt und kurzerhad erklärt: "Das war niemals sexistisch."

Ich will übrigens nicht bestreiten, dass ich mich hier gerne mal dem Einwand aussetze, ich würde dozieren. Aber ich finde, auch in einem Fußball-Forum darf man mal etwas Aufklärungsarbeit zum Thema Sexismus machen (wobei mir natürlich auch klar ist, dass das die Wenigsten ernsthaft interessieren wird, aber wer sich dafür nicht interessiert, kann ja einfach dem Thread fernbleiben). Das gilt insbesondere, weil gängige Legitimationen (wie etwa das Argument, das gehöre zur Meinungsfreiheit oder Frau Steinhaus lese hier ja nicht mit und im Übrigen störe sich hier ja niemand daran) zu kurz greifen. Anders ausgedrückt: Das Argument, da störe sich ja kaum jemand dran, ist kein durchschlagender Einwand, sondern Teil des Problems. Deshalb ist die Parallele zwischen Rassismus und Sexismus so erkenntnisfördernd. Ginge es um einen türkischen oder polnischen Schiedsrichter, würde ja auch niemand (mehr) den Kommentar (der war beim Videocheck wohl Kümmel holen/Autos klauen) auf ähnliche Weise rechtfertigen. Das liegt nicht nur daran, dass Rassismus noch einmal problematischer ist und das Beispiel drastischer ist als der relativ harmlose Lippenstift-Spruch - sondern eben auch daran, dass das Problembewusstsein beim Sexismus noch viel geringer ausgeprägt ist als beim Rassismus (früher hätte es da wohl auch mal geheißen: "stört sich doch keiner dran"; "eher harmloser Spruch"). Aber auch verhältnismäßig niedrigschwelliger Alltagssexismus tut Menschen weh, was wiederum anderen Menschen oft kaum bewusst ist. Die Unterschiede sind letztendlich nur quantitativ, nicht qualitativ.
Dazu aber ein kleiner Tipp von mir: Wenn Du Aufklärungsarbeit leisten willst, dann musst Du auch die Geduld und die Ausdauer haben mit Argumenten deine Position zu erklären, ohne dabei zu persönlich zu werden. Diejenigen, die deine Meinung teilen, musst Du ja ohnehin nicht überzeugen. Aber wenn man andere von der eigenen Position überzeugen möchte, wird man nur eine Chance dabei haben, wenn man geduldig und souverän mit der jeweiligen Situation umgeht. Das ist der schwierige Teil, wenn man sich für etwas einsetzen will. Man muss auch in hitzigeren Situationen die Ruhe bewahren und darf sich nicht zu sehr emotional beteiligen. Ist leider oftmals nicht so einfach. ;)
Da stimme ich Dir absolut zu! In dieser Frage bin ich aber auch an keiner Stelle persönlich geworden (der einleitende Hinweis, ob man da jetzt eine sexistische Nummer draus machen muss, war wohl etwas gereizt). Und um Geduld und Ausdauer bemühe ich mich hier in diesem Thread. ;)

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